Neue Osnabrücker Zeitung vom 23.01.2020
Die Gefahr lauert in der Nacht
Wie eine Hunteburgerin ihr chronisches Schnarchen in den Griff bekommt
Von Monika Vollmer
OSNABRÜCK Lautes Schnarchen nervt den Bettnachbarn und belastet Paare. Manchmal kann es zudem sogar gefährlich sein: Treten Atemaussetzer auf, wird Schnarchen zu einer lebensbedrohenden Krankheit. Eine Hunteburgerin erzählt von ihren Erfahrungen. Kurz nachdem Anna M. (Name der Redaktion bekannt) ihren 53. Geburtstag gefeiert hatte, wurde es laut im Schlafzimmer. Anna fing plötzlich an zu schnarchen. „Also, wenn ein Rasenmäher knapp 60 Dezibel Lautstärke hat, waren es bei Anna bestimmt 70 bis 80“, beschwert ihr Mann sich noch heute, wenn er an die Zeit zurückdenkt.
Während seine Frau im Tiefschlaf neben ihm fauchte und zischte, bekam er selbst kaum ein Auge geschlossen. Ihn nervte weniger das Schnarchen, vielmehr beunruhigten ihn die merkwürdigen Atemaussetzer seiner Partnerin: Deren „Sägen“ wurde mehrmals unterbrochen von einem abrupten Atemstillstand. Anna bäumte sich dann auf und schnappte wild nach Luft. Die Hunteburgerin selbst merkte derweil von alldem nichts. Sie schlief, wie sie selbst sagt, weiter wie ein Bär, und konnte sich beim Frühstück an nichts erinnern. „Anna, du liegst nachts da, als würdest du krepieren“, hatte ihr Mann sorgenvoll zu ihr gesagt und sie aufgefordert, zu einem Arzt zu gehen.
Anna war zu diesem Zeitpunkt sportlich und schlank. Wie von ihrem Mann vorgeschlagen, begab sie sich nach Osnabrück zu einem Schlafmediziner. Dort erfolgten diverse Voruntersuchungen, und sie verbrachte zwei Nächte im Schlaflabor.
Die Auswertung der Diagramme brachte schnell Klarheit. Anna litt an Schlafapnoe. Was das genau bedeutet, erklärt der Osnabrücker Neurologe und Schlafmediziner Dr. Christoph Schenk. Jeder Mensch könne schnarchen, das sei primär ein mechanisches Problem von Nasen- und Rachenraum. Durch die muskuläre Erschlaffung flattere das Gaumensegel. „Beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) kommt es zu einer Engstellung des Rachenraumes, da sich die Zunge in den Rachenraum verlagert“, informiert der Mediziner. Jeder dieser Atemstillstände, die durchschnittlich 30 Sekunden andauern können, sei mit einem Sauerstoffabfall im Organismus verbundenen. Das Gehirn reagiert dann mit einer lebenswichtigen Weckreaktion, es kommt zur Ausschüttung von Stresshormonen, Puls und Blutdruck gehen schlagartig nach oben. Es folge ein heftiger Atemzug, der bei den Betroffenen die Atemwege öffne und sie somit vor dem Ersticken bewahre, beschreibt Schenk die Erkrankung.
Jeder Mensch hat im Schlaf einige kurze Atemaussetzer. „Bis zu acht pro Stunde sind normal“, sagt Schenk. Anna hatte mehr, litt aber noch an einer milderen Form der Schlafapnoe. „Mein Arzt verordneten mir ein interorales Behandlungsgerät. Sollte sich mein Zustand verschärfen, hätte mir eine Schlafmaske gedroht“, sagt die gelernte Sozialpädagogin und fügt hinzu: „So ein Monsterteil wollte ich wirklich nicht haben.“
Sie suchte ihren Zahnarzt auf, ließ sich einen Abdruck von Ober- und Unterkiefer machen und trägt seitdem nachts eine sogenannte Protrusionsschiene, die ihren Unterkiefer vorschiebt. Dadurch wird der Atemweg im Rachen vergrößert und offen gehalten, zudem wird verhindert, dass die Zunge während der nächtlichen Entspannungsphase in den Rachenraum zurückfällt. „Eine Diagnostik über Schlafmediziner, Neurologen oder Internisten ist immer eine Vorbedingung. Der Apnoe-Hypopnoe-Index ist dann entscheidend für die Schiene“, weiß Siegfried Instinsky, Laborleiter der Firma Büker. In dem Labor in der Osnabrücker Innenstadt zeigt Instinsky die unterschiedlichen Modelle. Wichtig sei immer, dass sie perfekt passt. „Der Auftraggeber für uns ist der Zahnarzt, der einen Abdruck fertigt, den Biss registriert, die Schiene anpasst und kontrolliert.“
Anna trägt, sobald sie sich schlafen legt, eine sogenannte TAP-T-Schiene. Ihrer Meinung nach ist das im Moment die patientenfreundlichste Alternative. „Ich habe mir von Anfang an die beiden Schienen abends über die Zähne geschoben und mich auch recht schnell daran gewöhnt“, sagt sie heute. Seit gut 15 Jahren hat sie die Spange nun immer dabei – trägt sie regelmäßig.
Unbehandelt hätte die Anzahl der Atempausen zugenommen. Und durch die Reaktionen des Körpers, die das Atemzentrum ermahnen, wach zu werden, wäre Annas Schlaf erheblich gestört worden. „Das hat starke gesundheitliche Auswirkungen“, sagt Schenk und zählt neben Müdigkeit morgendlichen Kopfschmerz, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Konzentrationsschwierigkeiten und verstärkte Neigung zu Herzinfarkt und Schlaganfall auf. Bei Anna half eine Protrusionsschiene. „Sie schnarcht zwar ab und an noch, doch die schlimmen Aussetzer sind komplett weg“, sagt Annas Mann.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung vom 23.01.2020. Autorin und Fotografin: Monika Vollmer
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